11. Wissenschaftliche Bedeutsamkeit der Forschungsarbeit

Die IFRS sind eine der wichtigsten und global verbreitetsten Norm der internationalen Selbstregulierung. Durch die weitgehende Übernahme ins EU-Recht sind sie auch „ausländisches Recht“. Der Beizug dieser Normen zur Feststellung schweizerischen Rechts ist auch losgelöst vom spezifischen Anwendungsgebiet von grossem methodischem Interesse. Die Rechnungslegung nach OR richtet sich nach dem Gesetz und, wo dieses keine Antwort liefert, nach den Grundsätzen ordnungsgemässer Rechnungslegung. Die Methoden, wie diese Grundsätze ordnungsmässiger Rechnungslegung festgestellt werden können und die Frage, ob die IFRS dabei eine Rolle spielen können, werden in der Wissenschaft zwar kontrovers diskutiert. Der Einbezug der IFRS ist besonders interessant, weil diese Vorschriften teilweise gegenüber dem OR unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen.

Eine Klarstellung der Rolle der IFRS im schweizerischen Rechnungslegungs- und Aktienrecht dient auch dem besseren Verständnis der Normen, die spezifisch anwendbar sind. Nicht nur die Methode ist von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch die Anwendung der Methode auf die spezifischen Fragestellungen. Dabei ist festzustellen, dass juristische Methoden der Feststellung des Norminhalts sich stark von betriebswirtschaftlichen Methoden unterscheiden, die vor allem von Wirtschaftsprüfern angewendet werden. Deren Methoden sind beispielsweise in Bezug auf die Feststellung von Lücken und deren Füllung viel weniger geeignet, zu vernünftigen Antworten zu gelangen. Insbesondere der Beizug der IFRS zur Lückenfüllung im OR wird durch Wirtschaftsprüfer oft nicht gewagt, weil sie die OR und die IFRS als zwei völlig unterschiedliche Regelungskomplexe sehen, ohne direkten Bezug zueinander. Juristen, die sich mit Rechnungslegung befassen, sehen zwar keine methodischen Hindernisse, aber es fehlt dort oft am Verständnis der Normen der IFRS, um diesen Transfer in das OR vorzunehmen. Die wissenschaftliche Bedeutsamkeit dieses Projektes liegt ganz spezifisch darin, die IFRS dem OR-Rechnungslegungsrecht als Auslegungshilfe und Quelle zur Lückenfüllung systematisch zugänglich zu machen.

Das dritte Teilprojekt knüpft ebenfalls an die IFRS an, aber nicht an die IFRS als Rechnungslegungsstandard, sondern an eine Buchhaltungsorganisation, die erlaubt einen IFRS-Abschluss vorzunehmen. Es wird in diesem Teilprojekt die Frage geprüft, ob eine Gesellschafts-interne Organisation, die auf die Verwendung der IFRS als Rechnungslegungsstandard ausgerichtet ist, immer auch genügend ist im Hinblick auf finanzielle Oberleitungspflichten des Verwaltungsrats. Der Gegenstand der finanziellen Oberleitung wird in der gesellschaftsrechtlichen Literatur immer nur durch die Beschreibung von Zielsetzungen, denen die Finanzkontrolle genügen muss, umschrieben. Wenn es gelingt, den Bezug zwischen den IFRS und den finanziellen Führungspflichten des Verwaltungsrats herzustellen, dann besteht für den Verwaltungsrat nicht nur ein Katalog von Zielsetzungen, sondern spezifische Normen, die inhaltlich definieren, wie der Verwaltungsrat die finanzielle Oberleitung wahrnehmen muss.

Die Forschungsergebnisse werden zum einen durch die Publikationen der drei Doktorarbeiten publiziert. Weiter sollen die Resultate dieser Arbeit in die neue Auflage meines Buches „Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht“ einfliessen (vgl. dazu das Literaturverzeichnis). Zu bestimmten einzelnen Fragen ist auch die Publikation weiterer Fachartikel geplant.